
Kita-Bündnis NRW schlägt Alarm: Tarifsteigerungen setzen freie Kitas massiv unter Druck
Mit den gestern beschlossenen Tarifsteigerungen geraten die rund 8.000 Kitas der freien Träger in NRW noch massiver unter Druck als bisher. Der Grund: Auch sie wollen ihren Mitarbeitenden attraktive Konditionen bieten und diese angemessen bezahlen! Anders als bei den öffentlichen Trägern, werden freien Trägern die steigenden Kosten aber nicht refinanziert. Das Kita-Bündnis NRW schlägt Alarm und fordert eine grundlegend neue Regelung im neuen Kinderbildungsgesetz.
Auf den ersten Blick ist es eine gute Nachricht: Mit Wirkung ab 1. April 2025 werden Erzieherinnen und Erzieher der öffentlichen Kitas, die dem Abschluss im Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst folgen, besser bezahlt. Auf den zweiten Blick erzeugt diese Einigung aber einen immensen Druck für alle freien Träger, die mit insgesamt 8.000 Kitas die große Mehrheit aller Kitas in NRW stellen. Denn auch sie wollen ihre Beschäftigten tarif- und marktgerecht bezahlen. Jedoch werden ihnen steigende Kosten erst über ein Jahr später vom Land refinanziert.
Auch vereinbarte Rahmenbedingungen wie zusätzliche Urlaubstage werden bei freien Trägern weder im Personalschlüssel noch in der Refinanzierung berücksichtigt. „Das ist ein massiver Wettbewerbsnachteil für unsere Kitas“, sagt Fröbel-Bereichsleiter Marek Körner. „Selbstverständlich wollen auch wir freie Träger unsere qualifizierten Erzieherinnen und Erzieher angemessen bezahlen. Aber von welchem Geld sollen wir das machen, wenn uns Jahr für Jahr die wirtschaftliche Grundlage fehlt, weil sich das Land seiner Finanzierungsverantwortung entzieht? Wir sind es leid, regelmäßig als Ausfallbürgen der öffentlichen Hand herzuzuhalten.“
Und auch Ute Jansen, Outlaw-Geschäftsleitung Kita betont: „Das Land muss Kitas als Bildungsorte ernst nehmen und jetzt handeln! Wir benötigen eine grundlegende KiBiz-Reform, eine sofortige Anpassung der Pauschalen und echte Planungssicherheit für alle Träger. Sonst werden die kommenden Monate auch für die größeren Träger ein gigantischer Kraftakt. Für viele kleinere Kitas und insbesondere die Elternitiativen ist das noch schwieriger oder gar nicht zu stemmen.“
Bereits im letzten Jahr hat das Kita-Bündnis NRW eine grundlegend neue Systematik zur Refinanzierung steigender Löhne gefordert und darauf gedrungen, diese in einem längst überfälligen novellierten Kinderbildungsgesetz (KiBiz) NRW festzuschreiben. Alle gebotenen Taten ist die Landesregierung mit Verweis auf „weiteren Klärungsbedarf“ und die aktuellen Koalitionsverhandlungen im Bund bislang schuldig geblieben. Marek Körner: „Wir sind am Ende – nicht nur mit unserer Geduld, sondern auch mit unseren finanziellen Ressourcen, die ausgeschöpft sind. Jetzt muss sich zeigen, was unserem Land die frühe Bildung der Jüngsten Wert ist.“
Seit über einem Jahr fordert das Kita-Bündnis, eine Tarif-Klausel in das KiBiz zu integrieren, die automatisch bewirkt: Sobald tarifliche Gehaltsanpassungen erfolgen, werden diese allen Trägern auch refinanziert. Weiterhin fordert das Bündnis die Abschaffung des Trägeranteils, den Kita-Betreiber aus eigener Tasche aufbringen und zudem höchst bürokratisch nachweisen müssen. Auch hier übertrage das Land seine Pflichtaufgabe Frühkindliche Bildung an einen Dritten, ohne für faire Rahmenbedingungen zu sorgen, sagt Marcus Bracht, Geschäftsführer der educcare Bildungskindertagesstätten: „Das Land legt mit den Kindpauschalen fest, was hundert Prozent Kosten einer Kita sein sollen und bestimmt dann, dass der Träger als ,Auftragnehmer‘ für 7,8% der Kosten selbst aufkommen und diese umständlich nachweisen muss. Weitere Einnahmen wie Steuern, Elternbeiträge etc. zur Gegenfinanzierung hat er nicht. Kommunale Kitas werden hingegen automatisch zu 100% finanziert.“
In anderen Branchen wäre das ein Unding, so Bracht. „Würde dem Betreiber der Landtagskantine gesagt, wieviel Kosten er haben darf, welche Preise er nehmen muss und dass er gleichzeitig auch noch 7,8% (!) der Kosten selbst tragen muss – es gäbe wohl keine Landtagskantine. Nur im systemrelevanten Bereich frühkindliche Bildung geht das. Das ist unprofessionell.“
Vier grundlegende Forderungen an die NRW-Landesregierung hat das Kita-Bündnis in seinem gemeinsamen Positionspapier für ein neues Kinderbildungsgesetz NRW längst formuliert:
1. Jetzt die notwendigen finanziellen Mittel und Ressourcen bereitstellen!
2. Kita-Personal stärken bzw. entlasten!
3. Personalgewinnung und Ausbildung erleichtern!
4. Kita als Bildungsort für Kinder und Ausbildungsort für Fachkräfte anerkennen und stärken!
Das vollständige Positionspapier steht auf der Website des Kita-Bündnis NRW zum Download bereit.
Weitere Statements der Träger im Bündnis:
„Wir brauchen eine 100%-Finanzierung. Wir bieten schließlich eine Dienstleistung an. Welcher Dienstleister im Land geht erst einmal 18 Monate in Vorleistung, wenn er seine Dienstleistung erbringt? Wir helfen Land und Kommunen, den Rechtsanspruch der Familien auf Kinderbetreuung zu erfüllen und müssen deshalb auch auskömmlich finanziert werden.“ (Vera Hopp, Geschäftsführerin des VKJ Ruhrgebiet e.V.)
„Die Kita ist nicht nur ein Ort der Betreuung, sondern ein wichtiger Bildungsraum, in dem Kinder ihre Neugier entfalten, soziale Fähigkeiten entwickeln und grundlegende Kompetenzen für ihr Leben erwerben. Es ist entscheidend, diesen Bildungsort zu stärken und die wertvolle Arbeit der Erzieherinnen und Erzieher anzuerkennen. Die Landesregierung muss jetzt entscheiden, was ihr das Wert ist!“ (Jürgen Reuel, Geschäftsführer der Kinderzentren Kunterbunt gGmbH/Villa Luna)
Über das Kita-Bündnis NRW:
Um dem drohenden Qualitätsabbau entgegenzutreten, haben sich freie Kita-Träger gemeinsam mit der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) NRW im Kita-Bündnis NRW zusammengeschlossen. Bereits im Sommer 2024 haben sie ihre gemeinsame Petition „Rettet die Kitas in NRW“ mit fast 40.000 Unterschriften an die zuständige Familienministerin Josefine Paul übergeben. Nichts ist seitdem passiert.