Kita-Kollaps: Wissenschaftler:innen schlagen Alarm und fordern die Politik zum Handeln auf

Überlastung, Stress und Erschöpfung: Die Herausforderungen und Belastungen für Fachkräfte in Kitas nehmen bundesweit zu. Outlaw weist bereits seit der Corona-Pandemie immer wieder auf diese Entwicklung hin und fordert gemeinsam mit weiteren freien Trägern, dass die Rahmenbedingungen der frühkindlichen Bildung dringend verbessert werden müssen; unter anderem im Bereich der Finanzierung im Kita Bündnis NRW und beim Aktionsbündnis zur Kampagne "Starke Kitas für starke Kinder" in Sachsen.

Nun schlagen auch Wissenschaftler:innen aus unterschiedlichen Disziplinen Alarm und fordern die Politik auf, endlich tätig zu werden. In dem gemeinsam veröffentlichten Aufruf zum Handeln gegen die „Kita-Krise“ zeigen sie in einem offen Brief auf, dass der Zustand und die Zukunft des Systems der frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung (FBBE) in Deutschland alarmierend ist. Über 300 Forschende, Fachleute und Organisationen haben diesen offenen Brief mitgezeichnet. Denn die zentrale Botschaft betrifft uns alle:

„Deutschland wird nicht nur an Wohlstand, sondern auch an Zusammenhalt verlieren, wenn wir nicht alle Kinder so fördern, dass sie einen guten Platz in der Gesellschaft bekommen.“

„Wir beobachten seit einigen Jahren, wie sich die nicht auskömmliche Kita-Finanzierung, der Fachkräftemangel und dazu der nicht realistische Fachkraft-Kind-Schlüssel auf die pädagogische Arbeit in den Kindertageseinrichtungen auswirken. Die Anforderungen an die Kitas und die Belastungen für die Mitarbeiter:innen haben so drastisch zugenommen, dass sich viele Fachkräfte gestresst, erschöpft und ausgelaugt fühlen. Erzieher:innen sollen Kinder stark machen für die Herausforderungen des Lebens. Aber sie können mit den hohen Anforderungen und Belastungen in ihrem Beruf nicht mehr umgehen. Sie verlassen das System und das wird den Fachkräftemangel weiter verschärfen“, ordnet Ute Jansen, Geschäftsleitung Kita bei Outlaw ein. Sie betont: „Das System der frühkindlichen Bildung mit den wichtigen Bausteinen der pädagogischen Bildung, Erziehung und Betreuung steht tatsächlich vor dem Kollaps, wenn die Politik nicht endlich reagiert. Es steht so viel auf dem Spiel: Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit für alle Kinder, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und nicht zuletzt unsere Wirtschaft. Denn die Kita-Krise ist ganz klar ein Standortnachteil.“ 

Psychische Gesundheit der Fachkräfte wirkt sich auf Kinder aus

Dazu kommt, dass das verbleibende Personal aufgrund der Mehrbelastung häufig überfordert und krank ist: Damit gefährden die Zustände in Kitas auch das Kindeswohl, kritisieren die Wissenschaftler:innen in ihrem offenen Brief. Sie belegen die stetige Zunahme der Arbeitsbelastung von pädagogischen Fachkräften in Kitas und damit einhergehend die Zunahme von Krankentagen, insbesondere wegen Erkrankungen der Psyche. Das zeigten zuletzt auch die Zahlen einer Auswertung der Bertelsmann-Stiftung auf Grundlage von Daten der Krankenkassen: Im Jahr 2023 waren das durchschnittlich knapp 30 Tage; rund 20 Tage sind es bei allen Berufsgruppen. Damit führen Krankheitstage zu einem Großteil der Ausfallzeiten beim Kita-Personal und schlussendlich zu Einschränkungen in Kitas – und zwar bundesweit! (Mehr dazu auf unserem Blog)

Die aktuelle Situation widerspricht grundlegend den Grundbedürfnissen und Rechten von Kindern, so die Expert:innen: „Kinder brauchen stabile Bezugspersonen in verlässlichen Strukturen, die pädagogisch qualifiziert sind und passgenau auf die individuellen Bildungs- und Entwicklungsbedürfnisse und -bedarfe von Kindern eingehen können.“

Forderungen: Finanzierung, Qualität und Gesamtstrategie notwendig

Die vier Initiator:innen des Aufrufs sind Dr. Rahel Dreyer, Professorin für Pädagogik und Entwicklungspsychologie der ersten Lebensjahre an der Alice Salomon Hochschule Berlin, Dr. Jörg Maywald, Honorarprofessor für Kinderrechte und Kinderschutz an der Fachhochschule Potsdam, Dr.med. Michael Schulte-Markwort, Professor für Kinder- und Jugendpsychiatrie an der Medical School Hamburg und Ivonne Zill-Sahm, Professorin für Erziehung und Bildung im frühen Kindesalter an der Evangelischen Hochschule Dresden.

Im Aufruf fordern die Expert:innen dringende Investitionen bzw. zusätzliche Finanzierungsmittel für Qualitätsverbesserungen. Außerdem soll das im Koalitionsvertrag vereinbarte Qualitätsentwicklungsgesetz endlich umgesetzt werden. Die sogenannte „Gesamtstrategie Fachkräfte in Kitas und Ganztag“ des BMFSFJ soll um kurzfristige Maßnahmen ergänzt und mit einem Sondervermögen ausgestattet werden. In Bundesländern, in denen sinkende Kinderzahlen prognostiziert sind, so wie in Sachsen, sollen freiwerdende Ressourcen in die Verbesserung des Fachkraft-Kind-Schlüssels investiert werden. Kitas mit einem hohen Anteil von Kindern, die besonders von sozialer Benachteiligung betroffen sind, sollen personell und räumlich-materiell besser ausgestattet werden. Insgesamt soll die Zusammenarbeit mit Wissenschaft und Forschung gestärkt werden, um den Qualitätsprozess kritisch-konstruktiv zu begleiten.

Quellen:

Pressemitteilung Alice Salomon Hochschule Berlin vom 5.9.2024: System der frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung in Deutschland steht vor dem Kollaps

Aufruf "Überlastung, Stress und Erschöpfung in vielen Kitas: Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler schlagen Alarm und fordern die Politik zum schnellen Handeln auf"

 

 

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