Outlaw „on Tour“ mit dem "U"

Die Anfänge von Outlaw liegen auf einem Segelschiff: „schwierige“ Jugendliche – heute würde man vermutlich „Systemherausfordernde“ sagen – und pädagogische Fachkräfte stachen ca. 6 Monate lang in See und lebten und arbeiteten dabei gemeinsam auf engstem Raum.

Die Jugendlichen lernten: damit wir segeln können, kommt es auf Zusammenarbeit an, wir müssen uns aufeinander verlassen. Jede*r ist wichtig, kann Aufgaben übernehmen und mitbestimmen.

An diese Zeit knüpft Outlaw in Hamm nun an – mit dem "U", einem Oldtimer-Fahrzeug, das für kurze Auszeiten in Form von Reiseprojekten gedacht ist, aber auch anderweitig genutzt werden kann, beispielsweise auf Stadtteilfesten oder Kita-Veranstaltungen. Das große, rote "Outlaw-U" an der Seite gibt dem Fahrzeug seinen Namen. Vor dem Umbau zum Reisemobil war es im Rahmen des Katastrophenschutzes beim DRK Schleswig als Fernmeldekraftwagen im Einsatz.

Gerald Mennen, Geschäftsführender Vorstand von OUTLAW.die Stiftung engagierte sich sehr für dieses Projekt – war er doch einer der Pädagogen, die damals mit auf dem Schiff segelten. In vielen Arbeitsstunden baute er das Fahrzeug eigenhändig um und übergab es am 25.3. feierlich – soweit das unter Corona-Bedingungen möglich ist – an Fahrzeugwart Reinhard Greune und Christian Zirkwitz, Fachgebietsleiter der Hilfen zur Erziehung am  Standort Hamm.
Hier stellen wir das Fahrzeug im Video vor.

Im Interview berichtet Gerald Mennen über die Idee zu dem Projekt, die Umsetzung und die pädagogischen Hintergründe

Wie kam es zu der Idee und warum haben Sie sich so dafür stark gemacht?

„Pädagogik unterwegs:“ in den Anfängen von Outlaw war das der zentrale Bestandteil der pädagogischen Angebote. Mit Großseglern, befuhren wir mit Jugendlichen die Meere. Aber auch auf der Straße waren Outlaws unterwegs: z.B. in Reiseprojekten mit einem VW Bulli. Der Standort Dresden ist Anfang der 90er Jahre aus einem solchen Reiseprojekt entstanden. Ich fühle mich durch meine frühen Jahre als Sozialpädagoge in solchen Projekten sehr mit dem Thema Reisepädagogik verbunden.

Von den zuständigen Mitarbeitern bei Outlaw in Hamm, Christian Zirkwitz und Michael Stephan, wurde ich im Frühherbst 2020 angesprochen. Die Idee: Als Ergänzung zu einem stationären HzE-Angebot sollte für individualpädagogische Reisemaßnahmen ein entsprechendes Fahrzeug zur Verfügung stehen. Dieses sollte darüber hinaus aber auch für andere Outlaw-Standorte nutzbar sein. Es galt, ein Fahrzeug auszuwählen und so auszurüsten, dass es als „pädagogisches Werkzeug“ optimal den Anforderungen eines zeitgemäßen Reisepädagogischen Angebots entspricht.

Da OUTLAW.die Stiftung und auch ich persönlich über das entsprechende Netzwerk mit Menschen und Betrieben verfüge, um ein solches Projekt umzusetzen, übernahm ich die Verantwortung. Wir warben Finanz- und Sachspenden ein und fanden mit „NatuRaum – die kleinwohn Manufaktur“ aus Soest eine kleine Firma, die sich für den Ausbau engagierte. Über die Wintermonate habe ich dann viele Wochenenden mit den Arbeiten am Fahrzeug verbracht.  

Welche Anforderungen muss das Fahrzeug erfüllen?

Es muss ein hohes Identifikationspotential haben, es kann kein Fahrzeug „von der Stange sein“ sondern muss Individualität und „das Besondere“ ausstrahlen, damit die „Besatzung“ es als ihres annehmen kann. Dazu gehört auch, dass das Fahrzeug Geschichten erzählen können muss: Wo kommt es her? Was hat es in seinem bisherigen langen Leben alles erlebt? Immerhin ist es mit Baujahr 1982 wahrscheinlich bereits so alt, wie die/der Pädagoge*in und die/der Jugendliche zusammen sein wird. Das gilt insbesondere auch für das Dachzelt aus dem Jahr 1978. Wichtig war uns, dass das Fahrzeug – ähnlich unserem Großsegler von damals - viel Aktivierungspotential bieten. Insbesondere die*der Jugendliche darf und muss vieles selbst machen und dadurch lernen, was er*sie schaffen alles kann.

Auf Tour gibt es jede Menge zu tun:    

  • Um das Fahrzeug für die Übernachtung oder das Lager herzurichten muss das Dachzelt ausgeklappt werden. Bei starker Sonne oder auch bei Regen kann eine Plane als Dach aufgespannt werden um den „Lebensraum“ zu erweitern. Dafür gibt es entsprechende Stangen an Bord, die individuell eingesetzt werden können. Alles geschieht händisch, es gibt keine Markise, die auf Knopfdruck ausfährt.
  • Strom kann über eine Solaranlage gewonnen werden. Diese ist nicht fest installiert, also „Schalter an – Schalter aus“, sondern sie muss bei Bedarf aufgebaut und die Solarpaneelen nach der Sonne ausgerichtet werden. Der Erfolg kann dann an der Anzeige überwacht werden.
  • Es gibt kein elektronisches Navi an Bord. Stattdessen kann die Straßenkarte auf dem Klemmbrett vor dem Beifahrersitz befestigt werden. Die/der Jugendliche ist das analoge Navi.
  • Das Duschwasser wird mit Sonnenkraft erwärmt. Die entsprechende Vorrichtung befindet sich auf dem Dach des Fahrzeuges. Hier muss Wasser aufgefüllt aber auch der richtige Zeitpunkt zum Duschen gewählt werden. Wer morgens früh duschen will, wird mit kaltem Wasser vorlieb nehmen müssen.
  • Für Frischwasser muss mithilfe von Kanistern gesorgt werden und gekocht wird auf einem Spirituskocher.
  • Der Ausbau ist weitestgehend ökologisch, daher wird auch auf Chemie verzichtet. Deshalb ist der Wagen mit einer Trocken-Trenn-Toilette ausgerüstet. Darauf setzen inzwischen weltweit fast alle Globetrotter, die mit Fahrzeugen unterwegs sind.
  • Und nicht zuletzt sorgen das Kajak auf dem Dach und die mitgeführten Fahrräder am Heck für sportliche Betätigung. Die Fahrräder ermöglichen eine gewisse Mobilität trotz aufgebautem Lager – z. B. für Einkäufe oder kurze Ausflüge.

Diese ganzen Beispiele zeigen: Immer ist der*die Jugendliche gefordert. Nur in Zusammenarbeit mit dem*der Pädagog*in kommt man ans Ziel – Teamarbeit ist gefragt. Viele kleine Erfolgserlebnisse stärken das Selbstvertrauen und sie lernen: „Ich kann selbst Dinge bewegen“.  

Was müssen Pädagog*innen mitbringen, die sich mit dem Fahrzeug auf die Reise machen?

Ein Reiseprojekt mit einem solchen Fahrzeug erfordert viel Engagement, Improvisationsgeschick und Stärke der Pädagog*innen. Sie/er muss Aktivierungs- und Erlebnispotentiale erkennen und für die/den Jugendliche(n) erschließen, Geschichten erzählen und Identifikation herstellen, selbst Spaß an sportlicher Betätigung haben und auch vermitteln können. Natürlich muss er*sie das Fahrzeug selbst lieben, beherrschen und pflegen lernen und dieses auch an die/den Jugendlichen weitergeben. Auch sollte er*sie Freude am Entdecken haben und auf die Menschen zugehen können, um gute Stellplätze abseits vom Rummel der Wohnmobillisten zu finden – also eine spannende Herausforderung, die, wenn man sich ihr stellt, auch für den*die Pädagog*in ein ganz besonderes Abenteuer werden kann.

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