Qualität im Sinkflug: Kita-Bündnis lehnt die neue Personalverordnung entschieden ab
Am 6.Dezember verabschiedete das Familienministerium in Düsseldorf die neue Personalverordnung für nordrhein-westfälischen Kitas (Entlastung für die Kitas: Neue Personalverordnung tritt in Kraft). Somit können bei nicht vorhersehbaren Personalengpässen Ergänzungskräfte flexibler eingesetzt werden.
Das Kita-Bündnis NRW positioniert sich und lehnt die am Freitag in Kraft getretene neue Kita-Personalverordnung NRW entschieden ab. Insbesondere der § 15 (Akuter Personalnotstand) führt zu einer erheblichen Verschlechterung der Bildungs- und Betreuungsqualität in den Kitas. Mit einem Positionspapier richtet sich das Kita-Bündnis an Politik und Öffentlichkeit, um auf die drohenden Folgen aufmerksam zu machen und konkrete Forderungen an die Landesregierung zu formulieren.
Kritikpunkte
• Qualitätsverlust durch Absenkung der Personalstandards
Die Absenkung der Qualifikationsanforderungen an das Kita-Personal durch den verstärkten Einsatz von Ergänzungskräften gefährdet die Qualität der frühen Bildung in Kitas erheblich, zumal es Sonderregelungen zum Beispiel für Studierende im Rahmen der praxisintegrierten Ausbildung (PIA) oder Berufspraktikanten bereits gibt. Die daraus resultierende Betreuungssituation droht, auf eine reine Verwahrung zu reduzieren, anstatt Bildungs- und Entwicklungsziele sicherzustellen. Zudem weckt der § 15 falsche Erwartungen an eine Lösung, die keine ist. Denn mit Blick auf die bereits bestehenden Ausnahmeregelungen bleibt es in Gruppen mit U3-Kindern sowie Kindern mit Behinderung sinnvollerweise dabei, dass mindestens eine weitere Fachkraft eingesetzt werden muss.
• Belastung der Fachkräfte und des Systems
Die geplanten Änderungen überfordern bestehende Kita-Teams und erhöhen den Stress, der durch Fachkräftemangel und unzureichende Finanzierung ohnehin schon stark ausgeprägt ist. Wie Studien (z. B. Prof. Dr. Dreyer, ASH) belegen, führt die Überlastung in vielen Kitas jetzt schon zu hohen krankheitsbedingten Ausfällen, belastenden Arbeitsbedingungen und zum Verlust von Fachkräften durch Aufgabe des Berufs.
• Verfehlung der Zielsetzungen
Die Verordnung stellt keine nachhaltige Lösung für den Fachkräftemangel dar, sondern verschärft bestehende Probleme durch eine zu kurz gedachte Öffnung von Qualifikationen: Insbesondere kurzfristige Ausfälle können aufgrund langer Genehmigungswege der neuen Regelung nicht ad hoc kompensiert werden. Hinzu kommt: Träger können kaum einen Springerpool aus Ergänzungskräften für den Fall des Eintretens von § 15 konstant vorhalten – es sei denn, auch für diesen Pool würde die Kostenübernahme unabhängig vom Ernstfall gesichert. Auf diese Weise werden jahrelange qualifikations- und ausbildungsrelevante Versäumnisse der Landesregierung auf dem Rücken von Erziehenden und Trägern ausgetragen. Stattdessen müssen strukturelle Probleme wie Unterfinanzierung, Ausbildungsengpässe und das schwindende Berufsimage angegangen werden.
Forderungen
a) Streichung von § 15 „Akuter Personalnotstand“
Die geplante Regelung zur radikalen Abweichung und Reduzierung des Personalschlüssels in der Betreuung der Kinder muss ersatzlos gestrichen werden. Andernfalls werden wir als Träger eine mögliche Anwendung in unseren Einrichtungen zurückweisen.
b) Stärkung des Fachkräftegebots nach dem SGB VIII
Eine gute Kita braucht gut ausgebildetes Personal. Die elementare Pädagogik muss daher auf Fachkräfte setzen. Quereinsteigerprogramme sind zu begrüßen, dürfen jedoch nicht zulasten des Bildungsauftrags gehen. Die 160-Stunden-Qualifizierung muss durch das Land finanziert werden.
c) Förderung statt Abwertung des Berufsfeldes
• Ausbau von Ausbildungsplätzen und eine höhere finanzielle Unterstützung für die praxisintegrierte Ausbildung (PIA)
• Finanzielle Entlastung der Träger durch staatlich geförderte Qualifizierungsinitiativen.
• Mitfinanzierung der Praxisanleitung in den Ausbildungskitas
d) Entbürokratisierung der Verordnungen
Ein vereinfachtes Regelwerk entlastet Träger und Fachkräfte, wodurch mehr Kapazitäten für die pädagogische Arbeit zur Verfügung stehen.
e) Erhöhung der Finanzierung
Die grundlegende Unterfinanzierung des Kita-Systems muss behoben werden. Das Gute-Kita-Gesetz des Bundes bietet hier eine Vorlage, die z. B. durch Ausbildungsförderungen weiterentwickelt werden sollte.
Fazit und Appell
Die aktuellen Änderungen der Kita-Personalverordnung NRW lösen keines der dringenden Probleme, sondern verschärfen sie. Wir fordern daher die Politik auf, den Fokus auf eine nachhaltige, qualitätsorientierte und bedarfsgerechte Entwicklung des Kita-Systems zu legen. Die Zukunft der Kinder und ihrer Familien wie auch die Stabilität der Kindertageseinrichtungen stehen auf dem Spiel. Mit der neuen Verordnung wird der Arbeitsdruck auf die Erziehenden unverhältnismäßig verstärkt. Eine regelmäßige Überlastung durch personelle und qualitative Unterbesetzung führt dazu, dass die Kita-Beschäftigten verstärkt das Berufsfeld verlassen und ihren Berufswunsch aufgeben. Diese Situation erfordert eine aktive und verantwortungsbewusste politische Antwort. Qualitätsmindernde und kostensparende Billiglösungen zum Schaden der Betroffenen lehnen wir entschieden ab.
Hintergrund
Um Insolvenzen abzuwenden und dem drohenden Qualitätsabbau entgegenzutreten, haben sich seit Januar dieses Jahres mehr als 80 freie Kita-Träger gemeinsam mit der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) NRW im Kita-Bündnis NRW zusammengeschlossen. Am 15. Mai 2024 haben sie ihre gemeinsame Petition „Rettet die Kitas in NRW“ mit über 40.000 Unterschriften (digital und analog) an die zuständige Familienministerin Josefine Paul übergeben.