Alle rücken näher zusammen: Die Krise als Chance & das WG-Leben in Zeiten von Covid-19

„Ich dachte, wir langweilen uns zu Tode, aber der Tag geht doch ganz schön schnell rum“, beschreibt Jessi, eine Bewohnerin der Dresdner Mädchen-WG Bischofsweg, die aktuelle Situation in der Outlaw-Wohngruppe. Aufgrund der Corona-Pandemie und den entsprechenden Maßnahmen zur Eindämmung des Virus‘, hat sich auch das WG-Leben geändert. Doch das Team der WG hat schnell reagiert und Tagespläne, Projekte und Freizeitaktionen entwickelt, damit die Bewohnerinnen neben allen Unsicherheiten nicht zusätzlich in einen unstrukturierten Alltag rutschen.

„Beeindruckend ist für mich vor allem das hohe Engagement und die Ideenvielfalt der Kolleginnen, die je nach eigener Kompetenz und Fähigkeit den Alltag der aktuellen WG-Bewohnerinnen sehr abwechslungsreich gestalten“, hebt Teamleiterin Martina Werkmann hervor, die im Homeoffice arbeitet. Durch die Schulschließung und die strikten Kontaktbeschränkungen in Sachsen wurden die Kolleginnen und insbesondere die Jugendlichen vor große Herausforderungen gestellt: „Unserer (vor-)belasteten Jugendlichen kämpfen mit dem Wegfall von Peerkontakten und Freiheitserleben, was bei psychischen Vorerkrankungen besonders einschneidend ist“, betont Martina Werkmann und ergänzt: „Der Ausfall von Hilfeplangesprächen führt zu Verunsicherungen bezüglich von Hilfeverläufe, vor allem in Vorbereitung auf die weitere Verselbständigung und mögliche Auszüge in die eigene Wohnung. Die Mädchen in den Abschlussklassen erleben eine große Unsicherheit hinsichtlich ihrer unklaren beruflichen und ausbildungstechnischen Perspektive. Denn es sind keine Bewerbungsgespräche oder Termine mit dem Jobcenter möglich“, beschreibt die Teamleiterin die aktuelle Situation.

Feste Strukturen geben Sicherheit

Deshalb hat das Team der WG direkt ab dem ersten Tag der Schulschließungen eine Tagesstruktur festgelegt, um den Jugendlichen mit einem gut strukturierten Alltag Sicherheit zu geben. „Auf Grund der Tatsache, dass wir viele Bewohnerinnen haben, deren ambulante Therapien ausfielen, hielten wir eine Etablierung eines verlässlichen Rahmens für unbedingt notwendig“, erklärt Martina Werkmann.

Der Tag beginnt in der WG deshalb um 9.00 Uhr mit einem gemeinsamen Frühstück. Im Anschluss folgt bis ca. 13.00 Uhr die Lernzeit mit Unterstützung der Pädagoginnen. Jeden Tag gibt es nachmittags ein Freizeitangebot, das die Mädchen sehr gerne wahrnehmen. Das Outlaw-Stadtteilzentrum EMMERS lieh der WG eine Nähmaschine, mit der einige Mädchen Schutzmasken nähten, aber auch Stiftetaschen und Pinsel-Etuis. Weitere Aktivitäten sind Malerei, Figuren aus Gipsbinden, Muffins backen, Ostereier bemalen, Puzzle legen, Schmuck gestalten, Kartenspielen, Inline-Skaten, Federball, Boccia und Gymnastik im Garten, Grillen, Stockbrot über Feuerschale und vieles mehr. Abends kochen und essen alle zusammen. Um Feedback für die Aktionen und ein Stimmungsbild einzuholen, gab es eine Hausversammlung. Die überwiegende Meinung der Mädchen war hier, dass sie es sich viel schlimmer vorgestellt hätten. Ihnen sei bisher nicht mal langweilig geworden.

„Alle rückten in dieser Zeit irgendwie näher zusammen!“ (Frau Hoch, Pädagogin in der Mädchen-WG Bischofsweg)

Und so blieben auch die zunächst befürchteten Widerstände und die Auflehnung gegen die doch sehr strengen und strikten Vorgaben aus. „Es gab keine Rebellion, sondern die Mädchen beteiligten sich aktiv an der Alltagsgestaltung und wünschten sich verschiedene kreative und sportliche Freizeitangebote“, berichtet Martina Werkmann. Alle sind bereit, sich auf Neues einzulassen oder sind für sich selbst kreativ: Eine Bewohnerin macht nun täglich eine Fahrradtour, eine andere beteiligt sich freiwillig verstärkt am Kochen für die Gruppe. Mit Zunahme des schönen Wetters nutzen die Mädchen mehr den Garten und die Balkone.

Auch die Pädagoginnen erleben den dichten gemeinsamen Alltag in der WG mit der gesamten Gruppe. Das ist zwar einerseits eine große Kraftanstrengung, andererseits erleben sie die Mädchen so viel intensiver und zeitlich sehr umfassend. Die Solidarität untereinander und die Akzeptanz der durchaus schwierigen Rahmenbedingungen sind großartig. Denn es gibt ja keine Freizeit außerhalb der WG – alle Kurse/Freizeiteinrichtungen sind geschlossen, keine Freund*innen können die WG besuchen und die Mädchen können nicht im Rahmen von Beurlaubungen zu ihrer Familie und Freunden.

Das Team der WG Bischofsweg dankt an dieser Stelle Jennifer Hudler, Auszubildende im aktuell geschlossenen Outlaw-Hort der 26. Grundschule in Dresden, für die personelle Unterstützung in der Lernzeit und dem Team des Stadtteilzentrums EMMERS in Dresden, für das Material zum Maskennähen.

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