Individualpädagogische Maßnahmen bei Outlaw: Ein Wochenende voller Freiheit, Zuwendung und ohne Einschränkung für Moritz

Dank der großzügigen Unterstützung des Leipziger Lumos-Vereins „Stark für Kids e.V.“ erlebte der Jugendliche Moritz Ende Oktober 2022 ein Wochenende ohne Einschränkungen, ein Wochenende der Wunscherfüllung, ein Wochenende voller Erlebnisse und viel Zuwendung. Möglich machten das die Pädagog:innen unseres HzE-Teams Wurzener Straße in Leipzig, die den jungen Mann und seine Familie schon viele Jahre begleiten. Moritz ist 15 Jahre alt und lebt in einer Familie mit elf Kindern, von denen noch acht im Haushalt der Eltern wohnen. Zwischen den Sozialpädagog:innen Susanne Herzfeld und Elmar Matzner hat sich längst eine trag- und belastbare Beziehung mit allen Beteiligten entwickelt – und so entstand die Idee für eine individuelle Einzelmaßnahme, die zu Moritz passt und ihn in seiner Entwicklung unterstützen und voranbringen kann.

Hier geben die beiden Pädagog:innen einen Einblick in das ganz besondere Wochenende für Moritz:

Drei Tage ohne Einschränkungen oder: Eine uneingeschränkte Sicht auf die Möglichkeiten des Lebens für Moritz

Wir fuhren mit Moritz vom 28. bis 30. Oktober 2022 nach Hohnstein ins Elbsandsteingebirge. Zusammen mit einem weiteren Jugendlichen sollte es ein Wochenende mit sinnlichen und bildenden Erlebnissen werden. Hauptziel des Ausflugs war die weitere Motivation der beiden, nicht nachzulassen für einen möglichst guten Schulabschluss. Denn beide kommen in die entscheidende Phase des Übergangs zur Realschule. In den Familien gibt es bisher maximal Hauptschulabschlüsse und nur unzureichende kognitive Unterstützung zur Erreichung dieses Ziels.   

Zunächst standen wir kurzfristig vor der Entscheidung, ob wir das geplante Wochenende umsetzen können, denn der andere Jugendliche konnte den Ausflug krankheitsbedingt nicht mit antreten. Die Entscheidung fiel schnell und eindeutig: Auch für einen einzelnen jungen Menschen lohnt sich jeder Einsatz. Und die Wirkung kann nicht geringer werden. Moritz sollte einmal in die Situation versetzt werden, einen satten Blick ins Leben zu riskieren, ohne Einschränkung, mit zugewandter Begleitung und frei in seinen Entscheidungen.

Schon Freitagvormittag ging es also los von Leipzig Richtung Osten in die Sächsische Schweiz. Schon auf der Fahrt besprachen wir basisdemokratisch den Speiseplan fürs Wochenende. Moritz wünschte sich für die beiden Abende „RAMEN“, eine japanische Nudelsuppenspezialität und Spagetti Carbonara. Gemeinsam wurde eingekauft und Moritz bekam die Aufgabe, lediglich Biowaren in den Korb zu legen. Dabei besprachen wir die Qualität und die Preise. Er stellte u.a. fest, dass gar nicht alle Biowaren teurer sind, als konventionelle Lebensmittel. Die grundsätzlich gestiegenen Preise waren beim Einkauf ebenfalls ein viel diskutiertes Thema.

An den Abenden wurde gemeinsam gekocht und in die Nacht hineingespielt. Der sonst so auf Videospiele versessene Moritz konnte gut ohne Monitor vor seinen Augen leben. Ob er ihn wirklich nicht vermisst hat, können wir nur hoffen! Jedenfalls hatten wir stark den Eindruck, dass er sich ohne wohlgefühlt hat.

Es waren zwar nur drei Tage, jedoch konnte Moritz einen Hauch einer Ahnung davon bekommen, was es heißt, sich Wünsche erfüllen zu können, ohne abwägen zu müssen, ohne etwas wegzulassen, ohne zu bereuen. Wir als Pädagogen:innen sahen in diesem Fall unsere Aufgabe nicht darin, einen Beitrag zur Anpassung an die Begrenzungen zu leisten, sondern durchaus auch für eine Horizonterweiterung zu sorgen, denn Bildung hat schließlich nichts mit Anpassung zu tun! 

Das betrifft auch die kulturelle, gesellschaftliche und politische Horizonterweiterung – und so planten wir verschiedene Ausflüge. Auf der Burg Hohnstein besichtigten wir die Ausstellung zum Konzentrationslager Hohnstein. Dort wurden sogenannte „Schutzhäftlinge“ (etwa 5.600 politische Gefangene) interniert, misshandelt und ermordet. Ab 1935 diente die Anlage wieder als Reichsjugendherberge der Hitlerjugend. Im Zweiten Weltkrieg war ein Kriegsgefangenenlager in der Burg untergebracht. Moritz hatte im Vorfeld schon etwas recherchiert und kam in einen guten Austausch mit uns. Die aktuelle politische Lage in der Sächsischen Schweiz sah er sehr kritisch. In der Diskussion mit ihm konnten auch wir kritische, neue und vor allem jugendliche Blickwinkel zum Thema Rechtsextremismus erkennen und einnehmen.  

Zwanzig Kilometer Wandern standen am Sonnabend auf dem Programm. Auf den „Schrammsteinen“ genossen alle eine herausragende Aussicht. Natürlich gingen die Gespräche auf den Waldwegen, entlang eines sichtbar geschundenen Waldes, unvermindert weiter. Im Zentrum standen dadurch in erster Linie die Umwelt und das Klima. Nicht zu ignorierender Impuls dafür waren die Waldbrände vom Sommer, die vor allem in der Sächsischen Schweiz wüteten und deren Auswirkungen nicht übersehen werden konnten.

Erst am Sonntagnachmittag kehrte Moritz in seine Familie zurück. In der fühlt er sich wohl, spürt aber jeden Tag die Begrenzungen, denen auch er täglich unterliegen muss. Es wird erstmal keine Bio-Lebensmittel mehr geben, die tauchen bei der „Tafel“ nicht so oft auf.

Es sollten mehr Kinder und Jugendliche solche „einschränkungsfreien Auszeiten“ genießen können oder am besten gar nicht nötig haben! Haben sie aber, wie das Wochenende mit Moritz in Hohnstein deutlich zeigte. Am wichtigsten ist es, dass unser Projekt „Moritz kämpft weiter um einen Realschulabschluss“ neue Nahrung bekommen hat. Die eigentlich nur durch die Nacht unterbrochenen Gespräche konnten viel dazu beitragen.   

Susanne Herzfeld  und Elmar Matzner                                                                                           
begleitende Sozialpädagogen:innen
Outlaw gGmbH Leipzig, HzE Team Wurzner Straße

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