Kürzungen abwenden: Kinder- und Jugendarbeit bewahren, stärken und sicher finanzieren!

Personal abbauen, Angebote streichen, Schutzräume schließen: Mit den geplanten Kürzungen des Bundes im Kinder- und Jugendplan 2024 drohen weitreichende Einschränkungen für Kinder und Jugendliche. Heute am Weltkindertag wird in Berlin gegen die Kürzungen demonstriert.

Berlin, 20.9.2023: Heute berät der Bundestag im Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugendüber die geplante Kürzung des Kinder- und Jugendplans des Bundes (KJP): Bis zu einem Fünftel soll der Etat gekürzt werden – das sind 44,6 Millionen Euro bzw. 18,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Damit drohen folgenschwere Einschnitte – vor allem für Kinder und Jugendliche: ein verminderter Zugang zu Sport, Bildung und Jugendverbänden bis hin zu der Schließung von sicheren Freiräumen, Jugendeinrichtungen und Orten vielfältiger Partizipation. Dazu zählen auch Angebote der Offenen Kinder- und Jugendarbeit (OKJA) - welche Einschränkungen Kürzungen in diesem Arbeitsbereich der Kinder- und Jugendhilfe haben können, beschreiben eindrücklich unsere Kolleg:innen aus OKJA-Teams:

Existenzielle Probleme bei weiteren Kürzungen

„Wir arbeiten bereits jetzt mit einem Minimum an Personal- und Sachressourcen in allen unseren OKJA-Angeboten! Die Teuerungsraten aufgrund der Situation nach der Pandemie plus der Auswirkungen des Krieges in der Ukraine mit den Folgen der gestiegenen Energie-, Dienstleistungs- und Materialkosten werden nicht durch die jährlichen Anpassungen der Fördermittel des Jugendamtes aufgefangen. Wenn dazu weitere Kürzungen kommen, stehen die Angebote teilweise vor existentiellen Problemen“, beschreibt Susa Rühle, Fachgebietsleiterin OKJA am Standort Dresden, die jetzt schon angespannte Situation.

„Wenn aufgrund der Kürzungen offene Angebote und Beratungen wegfallen, sind auch weniger Präventionsmaßnahmen möglichen. Eine direkte Folge wird aus meiner Sicht sein, dass dann Pflichtaufgaben und eben auch Kosten steigen“, ergänzt Sebastian Geeraedts, Fachgebietsleiter OKJA am Standort Münster. „Denn wenn die kleinen Krisen der Kinder und Jugendlichen zu großen Krisen werden und Angebote im Bereich der Hilfen zu Erziehung nötig werden, schnellen die Kosten in die Höhe. Einsparungen in der Bildung oder der pädagogischen Prävention sind in einer Zeit, in der Familien deutlich belasteter als früher sind, überhaupt keine Lösung – im Gegenteil!!“

Demonstration gegen Kürzungen in Berlin

Um die geplanten Kürzungen zu verhindern, demonstrieren heute zahlreiche bundeszentrale Träger der Kinder- und Jugendhilfe. Auch die OKJA-Teams von Outlaw beteiligen sich und fordern, mindestens den Bestand der Angebote und Einrichtungen zu erhalten – mit Blick auf den extrem gestiegenen Bedarf bei den Kindern und Jugendlichen lautet die Forderung allerdings klar, die Angebote auszubauen und die Finanzierung aufzustocken. „Denn wir sehen wir die Angebote im Bereich der OKJA gemäß § 11 des SGB VIII als Pflichtaufgabe im Kontext der Kinder- und Jugendhilfe und nicht als eine freiwillige Leistung!“, erläutert Susa Rühle.

Vor allem mit Blick auf die steigende Anzahl der Kinder und Jugendlichen in Deutschland, die von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht sind sowie den zusätzlichen Herausforderungen nach der Pandemie, haben die Aufgaben im Bereich der OKJA in den vergangenen Jahren stark zugenommen. „Eine Kürzung der Fördermittel könnte dazu führen, dass gerade die Kinder und Jugendliche aus benachteiligten Familien und Gemeinden am stärksten betroffen sind. Dies könnte soziale Ungleichheiten weiter verstärken und die Chancengleichheit beeinträchtigen“, beschreibt Anja Müller, Teamleiterin am Standort Landkreis Meißen im Bereich OKJA und Lale Kaisen vom Standort Münster ergänzt: „Gerade in diesen Zeiten wäre dies auch ein verheerendes Zeichen gegen Integration und Inklusion, Mitbestimmung und Teilhabe an freizeitpädagogischen Angeboten. Eben entgegen dem für uns handlungsleitenden Grundkonzept OKJA bei Outlaw.“

OKJA: Pflichtaufgabe der Kinder- und Jugendhilfe

Wir fordern nicht nur, die Kürzungen abzuwenden, sondern die Angebote der OKJA zu bewahren und zu stärken, um OKJA als Pflichtaufgabe der der Kinder- und Jugendhilfe zu realisieren:

„Die Kinder- und Jugendarbeit ist eine Investition in die Zukunft, sie ist gelebter Kinderschutz, Demokratiebildung und politischer Akteur im Stadtraum. All das braucht eine Zivilgesellschaft, wenn sie die akuten Krisen unserer Zeit wie Klimakrise, Krieg, Flucht und Armut bewältigen und auch kommenden Generationen eine lebenswerte Perspektive bieten will.“ (Susa Rühle)

„Als Mitarbeiter:innen der Offenen Kinder- und Jugendarbeit der Outlaw gGmbH appellieren wir an die Bundespolitik, keine Kürzungen in der Jugendarbeit vorzunehmen. Die Jugendarbeit spielt eine entscheidende Rolle für die Entwicklung und Zukunft unserer jungen Generation. Die Jugendarbeit fördert Chancengleichheit, stärkt die Zivilgesellschaft und verbessert das Wohlbefinden unserer Jugendlichen. Daher bitten wir darum, sicherzustellen, dass diese wichtige Arbeit ausreichend unterstützt wird, ohne finanzielle Kürzungen.“ (Anja Müller)

Wir fordern, die Begegnung von Kindern und Jugendlichen aus verschiedenen Kulturen und sozialen Schichten zu fördern, statt zu begrenzen. Denn Kinderschutz findet überall da statt, wo sich Kinder und Jugendliche aufhalten. Sollten die Möglichkeiten der OKJA beschränkt werden, fällt eine wichtige Anlaufstelle im Sozialraum der Adressat:innen weg. Kindern und Jugendlichen werden somit die oftmals schon begrenzen Räume und Ressourcen genommen.“ (Lale Kaisen)

„Wir fordern nicht nur die Kontinuität, sondern den Ausbau der Angebote, denn wir erleben aktuell   einen extrem gestiegenen Bedarf bei den Kindern und Jugendlichen, unsere Angebote zu nutzen. Waren es früher 60 bis 80 Nutzer:innen, sind es aktuell rund 80 bis 100 am Tag. Die Ferienprojekte waren alle so voll, dass es Wartelisten und leider auch Absagen geben mussten. Der Drang der jungen Menschen nach Bewegung, Teilhabe, sich treffen können, ist unübersehbar gestiegen“ (Jens Hilgner)

„Wir fordern, dass unsere wichtige Arbeit im Bereich OKJA mehr wahrgenommen, wertgeschätzt und gefördert wird. Denn Herausforderungen steigen – das zeigt der Blick auf die gesellschaftlichen Entwicklungen und Ereignisse der vergangenen fünf Jahre. Unsere Ressourcen sind ohnehin knapp bemessen – es gibt keinen Puffer. Wir dürfen Kinder- und Familien nicht noch mehr aus dem Blick verlieren!“ (Silvana Zühlke, Spielmobil Wirbelwind)

Weitere Informationen und Reaktionen auf die geplanten Kürzungen gibt es hier: Reaktionen auf die geplanten Haushaltskürzungen | Jugendhilfeportal

OKJA bei Outlaw

Bundesweit realisieren wir an unseren Standorten in zahlreichen Einrichtungen verschiedene Angebote und Projekte der OKJA, um gesellschaftliche Teilhabe, Integration und Inklusion zu ermöglichen, demokratische Prozesse zu fördern und Netzwerke zu schaffen. Eine Kürzung von Fördermitteln würde zur Einschränkung der Angebote, zum Qualitätsverlust in der pädagogischen Betreuung, zur Schließung von Einrichtungen und Wegfall von Projekten, steigender sozialer Ungleichheiten und mit Blick auf Präventionsangebote langfristige negative Auswirkungen, da Probleme möglicherweise zunehmen.

EMMERS – Kinder- und Jugendhaus und Stadtteilzentrum in Dresden

Die Arbeit des Teams richtet sich grundsätzlich an alle Kinder, Jugendlichen und Familien, die im Sozialraum leben bzw. diesen zum Ort ihrer Freizeitgestaltung gewählt haben, primär an die Altersgruppe 6 bis 27 Jahre. Täglich besuchen 60 bis 100 Nutzer:innen das Haus, davon viele Kinder und Jugendliche, die in schwierigen Lebenssituationen und mit erhöhtem Unterstützungsbedarf leben, mit Jugendhilfebiographien, Migrationshintergründen, Handicaps und Flüchtlingsbiographien.

„Für das EMMERS würden die Kürzungen bedeuten, dass wir Personal abbauen müssen und dies würde zu einer weiteren Kürzung der Öffnungszeiten und dem Wegfall von Projekten und Angeboten führen. Möglicherweise hätten wir nur noch drei Tage die Woche geöffnet – Kinder und Jugendliche würden sich dann andere Optionen suchen müssen und ihr aktueller Rückzugs-, Schutz- und Teilhabe-Raum wäre für sie noch weniger nutzbar“, zeigt Jens Hilgner auf.

BauSpielTreff Holtrode und Jugendzentrum Sprakel

In Münster betreibt Outlaw zwei Einrichtungen der OKJA. Zum einen die kinderpädagogische Einrichtung „BauSpielTreff Holtrode“ und das Jugendzentrum Sprakel, dass sowohl kinderpädagogisch ist, als auch Jugendliche und junge Menschen anspricht.

OKJA-Angebote müssten dann auf ein Minimum beschränkt werden. Honorarkräfte würden wegfallen, die derzeitigen Öffnungszeiten könnten nicht mehr bestehen bleiben. Zudem würden Highlight-Aktionen wegfallen, wie z. B. größere Ausflüge, Ferienaktionen, größere Projekte sowie Erhaltung von Spielmöglichkeiten die zur Lebenswelt der Adressat:innen passt, und sich somit weiterentwickeln und angepasst werden müssen.

Offenes Jugendhaus Riesa & Kinder- und Jugendhaus RIEMIX

In Riesa finden Kinder, Jugendliche und Familien ein vielfältige Angebote: Im Kinder- und Jugendhaus RIEMIX, im Offenen Jugendhaus Riesa, im selbstausgebauten Jugendcafé „Kumpelkammer“ sowie beim Kinder und Jugendzirkus „Torbulentos“.

„Bei einer Kürzung der Mittel um ein Fünftel, müssten wir wahrscheinlich einen zusätzlichen Schließtag einplanen. Vermutlich würden wir aber unsere mobilen Angebote zu Gunsten der Öffnungszeit unserer Häuser wegfallen lassen. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass wir diese Adressat:innen nicht mehr erreichen. Dazu kommt: Das Riemix als auch das OJH Riesa beschäftigen jeweils eine:n Mitarber:in im Freiwilligendienst. Da auch Gelder im Bereich des Freiwilligendienstes wegfallen sollen, fehlt uns dann auch diese Unterstützungskraft“, gibt Anja Müller einen Ausblick auf die Folgen der Kürzungen.

 

Mobile Arbeit Friedrichstadt

In Dresden bietet das Team der MAF zwei Angebote an: den offenen Kinder- und Jugendtreff und aufsuchende Arbeit im Stadtteil; zudem ist das Team in der Gemeinwesen- und Stadtteilarbeit aktiv.

„Die Kürzungen würden bewirken, dass wir verkürzte Öffnungszeiten bzw. weniger Öffnungstage sowie weniger Ferienaktivitäten/-fahrten anbieten könnten, da uns dann das nötige Personal fehlen würde. Außerdem würde die teilweise angebotene Einzelfallarbeit und Unterstützung und Weitervermittlung von Hilfesuchenden gar nicht mehr möglich sein. Auch die Beteiligung und das Engagement in Gremien oder anderweitigen Arbeitsgruppen wäre schlicht nicht mehr möglich“, beschreibt Gerade Gebauer vom MAF-Team.

Spielmobil Wirbelwind

Mit dem Kleinbus macht das Team das ganze Jahr vollgepackt mit guten Ideen zum Spielen, Kochen, Forschen, Planen und Ausprobieren Station in verschiedenen Dresdner Stadtteilen, um Kindern und ihren Familien in ihrem Wohnumfeld zu begegnen.

„Wir müssten viele Angebote oder Ferienaktivitäten streichen – auch inhaltlich, was zum Qualitätsverlust führen kann. All das birgt Gefahren für den gesellschaftlichen Zusammenhalt, denn Kinder brauchen die Möglichkeit, gemeinsam etwas aushandeln zu können. Mit Sorge blicken wir auch in Richtung Integrationsarbeit und Kinderschutz. Wenn wir die Kinder nicht mehr antreffen, sehen und Vertrauen aufbauen, wird auch die Sichtbarkeit von 8a-Fällen abnehmen.“

 

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